Die Kreuzberger Legende!
Türkiyemspor Berlin
Der erste Text wurde zum 10jährigen Geburtstag unseres Vereins veröffentlicht. Mittlerweile hat Türkiyemspor das 40. Jahr seines Bestehens längst überschritten. Der Artikel zum 10jährigen gibt einen guten Einblick in die Entstehung unseres außergewöhlichen Fussball-Clubs.
Danach folgt eine zweiteilige Zusammenfassung der Türkiyemspor-Geschichte aus antirassistischer und antifaschistischer Sicht.
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EIN RÜCKBLICK ZUR GESCHICHTE
ERST KICKEN SIE IN DER NAUNYNSTRASSE....
.....DANN KAMEN DIE IZMIRANER
Die Bestrebungen im Jahre 1978, einen Berliner Fußball-Club, den BFC Izmirspor zu gründen, war für die Initiatoren damals nicht allzu schwer. Da gab es einen vor ca. drei Jahren gegründeten, aber nicht eingetragenen Verein. Eine lose Vereinigung von Jugendlichen, die gern Fußball spielten und sich irgendwie selbst trugen. Dieser Verein, genauer gesagt diese lose Gruppe, nannte sich "Kreuzberg Gencler Birligi" (Kreuzberger Junge Union) und hatte in der tat nur blutjunge Anhänger, die fast ausschließlich hinter dem runden Leder her rannten oder rennen wollten. Halbe Kinder. Für das Walten und Verwalten eines Vereins hatte niemand Interesse, und war für alle nur eine lästige Begleiterscheinung ihres gemeinsamen Hobbys - des Fußballs.
Diese Gruppe war im Südostbezirk von Berlin, in Kreuzberg, zu Hause. Genauer gesagt in der Naunyn-, Oranien-, Adalbert- und Mariannenstraße. Ihre Freizeit verbrachten sie in den sich dort befindlichen Freizeitheimen des Bezirkes, der Wohlfahrtsverbände oder sie spielten Fußball. Es kam auf das Wetter an. Im April 1978 war es soweit. Sie wollten aus dieser losen Vereinigung einen eingetragenen Verein machen. Da die Izmiraner die Oberhand hatten, wurde der Verein als "BFC Izmirspor" umbenannt. Aus der Jungen Union der Kreuzberger Türken entstand nun ein Fußballverein, der in die Berliner Fußballgeschichte eingehen sollte: BFC Izmirspor. Die Funktionäre dieses Fußballvereins wollten sich nicht nur mit Begegnungen auf Wiesen und Grundstücken mit Kneipenmannschaften begnügen. Izmirspor hatte Ambitionen und wollte in die Amateurliga. Vorverhandlungen wurden bereits mit dem BFV, damals VBB, geführt. Die Ärmel wurden hochgekrempelt. Der Ehrgeiz verbreitete sich. Doch einige haben resigniert und konnten die Umbenennung nicht verkraften. Sie verließen den Verein. Mit Izmirspor wollten sie nichts Gemeinsames haben. Aus Lokalpatriotismus versteht sich - Ehrensache!
Doch ganz so leicht war es nicht, mit diesem e. V. umzugehen. Unkenntnisse und ungeübte Sprachfeinheiten, Bürokratismus und der Formularkrieg kosteten Zeit, sehr viel Zeit. Mit der Amateurliga klappte es nicht. Man begnügte sich vorerst mit der Berliner Freizeitliga. Doch dann klappte es.
DIE ERSTE AMTLICHE EINTRAGUNG:
Diese wurde am 19.11.1979 im Vereinsregister des Amtsgerichts Charlottenburg vorgenommen. Das Geschäftszeichen der Urkunde trägt die Nr. UR-310/ 1979VR 6663 Nz
Dem Gründungsprotokoll nach, das mit dem 10. Oktober 1978 datiert ist, sind als erste Mitglieder des neu gegründeten Vereins "BFC Izmirspor" folgende Personen eingetragen:
1) Hüseyin Kazanan, Monteur, wohnhaft in der Naunynstr. 85,1000 Berlin 36,
2) Soner Aytac, Arbeiter, wohnhaft in der Naunynstr. 6, 1000 Berlin 36,
3) Resat Yigit, Einrichter, wohnhaft Tempelhofer Ufer 5, 1000 Berlin 61,
4) Ali Tun, Autolackierer, wohnhaft in der Sorauer Str. 5,1000 Berlin 36,
5) Cemil Özyesilova, Schlosser, wohnhaft Görlitzer Str. 43, 1000 Berlin 36,
6) Ziya Bulduk, wohnhaft in der Reichenberger Str. 122, 1000 Berlin 36,
MÄNGEL, MÄNGEL BIS 1985
Um alle vom Amtsgericht Charlottenburg festgestellten Mängel nun auf einen Schlag aus der Welt zu schaffen, wurden durch den guten Rat eines Rechtsanwaltes erneut die Mitglieder zu einer Versammlung gerufen und beschlossen nun, die Satzung endlich neu zu fassen. Die Neufassung der Satzung wurde mit dem Geschäftszeichen UR-53/85 im Vereinsregiser aktenkundig gemacht. Der Vorstand wurde neu gewählt. Zu dem bereits bestehenden Vorstand kamen nun dazu: Hamdi Celik, Hüseyin Erdogan, Zait Mazlum, Hüseyin Demirdag und Ali Tun. Schließlich spielte der BFC Izmirspor bereits seit der Spielsaison 1983/84 in der lang ersehnten Amateurliga und ließ alle vor Neid erblassen. Izmirspor wurde in der C-Klasse Meister der Berliner Amateurliga. Der Erfolg wiederholte sich in der Spielsaison 84/85 in der B-Klasse. Na, schließlich hatte ja Izmirspor in Bülent Gündogdu von Anfang an mit Beginn der Amateurliga den richtigen Trainer für seine Zielsetzung und für die Realisierung eingesetzt. Als Funktionäre kamen neu dazu: Mahmut Colak und Yücel Bulduk. Der Erfolg mit diesen Funktionären, insbesondere mit dem hervorragendem Trainer, war nicht mehr aufzuhalten. Der Name Izmirspor verbreitete sich sehr rasch. Auch über die Berliner Landesgrenzen hinaus. Es ist hier nur am Rande zu erwähnen, daß Izmirspor in der Kreisklasse A in der Spielsaison 85/ 86 auch wieder Meister wurde. Nun war Izmirspor in Berlin der einzige türkische Sportverein, der in der Landesliga auf sich aufmerksam machen konnte. Die Zuschauerzahlen wuchsen, die Interessen für diesen Verein wurden immer stärker, auch die Mitgliederzahl nahm erheblich zu. Nun ist es nicht mehr eine Sache der Izmiraner, Mißstimmungen waren zu spüren. Der Name des Vereins stand zur Diskussion. Es mußte ein anderer Name her. Dieser Verein gehört nicht den Izmiranern! Es wurde viel und heiß diskutiert. Nun wurde am 27.9.1986, als Izmirspor erfolgreich in der Landesliga kickte, nochmals eine Mitgliederversammlung einberufen. Es herrschte eine gespannte Atmosphäre. Die Versammlung fand in der Kunsthalle Berlin, in der Cafeteria in der Budapester Str. 42 statt. Es waren 78 ordentliche Mitglieder anwesend. Dies stellte Bülent Gündogdu, der als Versammlungsleiter bestellt war, ordentlich fest. Die Eröffnungsrede hielt der Sportkamerad Ibrahim Lus. Jeder wußte, was kommen wird. Die Namensänderung wurde beantragt, sie stand bevor. 600 Unterschriften von Anhängern und Fans sollen gesammelt worden sein, die allerdings weder während der Versammlung, noch nach der Versammlung bis heute jemand gesehen hat. Es kam zu einer Abstimmung. Eine demokratische Abstimmung, die überwiegende Mehrheit der anwesenden Mitglieder stimmte für die Namensänderung. Hier das Ergebnis: 58 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen und 14 Enthaltungen. BFC Izmirspor hieß von nun an Türkiyemspor Berlin e. v: Alle Anwesenden oder fast alle jubelten. Einige waren still und schauten nachdenklich vor sich hin. Die anderen resignierten und verließen den Saal, wie vor Jahren einige resigniert die Versammlung verließen, wo die Junge Union Kreuzberg in BFC Izmirspor umbenannt wurde. Auch damals gab es demokratische Wahlergbnisse, auch damals waren die in Opposition stehenden überstimmt worden. Aber das alles war diesmal nur von kurzer Dauer. Die Verbitterten und Resignierten kamen schnell wieder zum Verein zurück. Der Erfolg hat seine Schuldigkeit getan. Es waren alle wieder da, es ist schließlich doch ihr Verein!
Diese Artikel ist der Jubiläumsschrift zum 10jährigen Bestehen Türkiyemspor (1988 erschienen) entnommen .
Türkiyemspor, Rassismus und der BFV Teil I
Die Geschichte von Türkiyemspor ist auch eine Geschichte von Ausländerfeindlichkeit in der Berliner Fußballszene. Türkiyemspor (vormals Izmirspor) mußte nicht nur sportlich bestehen sondern immer wieder auch gegen ignorantes Verhalten der Funktionäre beim Fußballverband (BFV, vormals VBB) und einer offenen Ablehnung unseres erfolgreichen Vereins durch einzelne Schiedsrichter sowie andere Vereine ankämpfen. Besonders nach der Wende mußte sich Türkiyemspor gegen den offen ausbrechenden Rassismus wehren. Die folgende (unvollständige) Darstellung macht deutlich, wie schwierig der Alltag eines Immigranten-Vereins war und ist.
Kreisliga C, 31.03.1984:
Vor dem Spiel gegen den BSC Comet protestierte Türkiyemspor (damals noch Izmirspor) gegen Krawallmacher und ausländerfeindliche Parolen, weil es eine Woche vorher nach dem Spiel BFC Liberta - Izmirspor zu Prügeleien und Beschimpfungen kam.
Kreisliga A 1985/86:
Izmirspor hatte den vom Verein Phoenix 56 gekommenen Torwart Lutz Otte beim Berliner Fußballverband ordnungsgemäß angemeldet. Der Brief traf am 01.07.85 beim VBB ein, Meldeschluß war der 30.6.85 (1985 war das ein Sonntag!). Der Spieler wurde aber vom VBB bis zum 1.2.86 gesperrt, weil er angeblich nicht rechtzeitig angemeldet wurde. Izmirspor erreichte per Anwalt vor dem Verbandsgericht des VBB aufgrund §193 BGB die Freigabe des Spielers, da die Anmeldung per Einschreiben nachweislich vor dem 01.07. abgesendet wurde. Doch der VBB-Vorstand (Direktor Wolfgang Levin) erwirkte ein Wiederaufnahmeverfahren. Der Verbandsgerichtsbeschluss wurde in vollem Umfang wieder aufgehoben und Lutz Otte erneut bis zum 1.2.86 gesperrt. Begründung: Das BGB findet für die VBB-Satzung keine Anwendung!
Landesliga 1986/87:
So wurden 1987 in der Berliner Fussballwoche die Spiele von Türkiyemspor angekündigt.
Schiedsrichter Holz erkennt unserer Mannschaft beim Spiel Izmirspor - Union 06 (1:1) im Poststadion drei (!) Treffer wegen Abseitstellungen bzw. Torwartbehinderung ab. Sogar Spieler von Union 06 zeigten wenig Verständnis für diese Entscheidungen. Türkiyemspor bat nach dem Spiel in einem Schreiben an den Schiedsrichter-Ausschuß, diesen Unparteiischen nicht mehr bei Spielen mit Türkiyem-Beteiligung anzusetzen und um einen Gesprächstermin mit dem betroffenen Schiedsrichtergespann und einem Fuwo-Reporter (Fuwo 27.10.86).
Oberliga-Saison 1987/88:
Im Spiel Türkiyemspor - Hertha 03 Zehlendorf (15.11.87), das Türkiyem mit 2:1 gewann, spielte auf unserer Seite zum ersten Mal der von Hertha 03 gekommene Auswahlspieler Michael "Zippo" Zimmer mit, der vom Berliner Fußball-Verband irrtümlicherweise die Freigabe bekommen hatte. Hertha 03 legte Protest ein, bekam Recht und erwirkte ein Wiederholungsspiel, obwohl der Fehler eindeutig beim BFV lag. Dieses Wiederholungsspiel endete im Februar 1988 Unentschieden 0:0. Das Spiel war von Proteste der zahlreichen Türkiyemfans begleitet worden, denn es gab einen zweiten Fall , in dem der Verband irrtümlicherweise eine Spielberechtigung aussprach und nun wieder zurücknahm. Übrigens durfte Zimmer nicht mitspielen, um die Ausgangssituation des ersten Spiels zu schaffen. Bei Hertha 03 durfte aber der Neuzugang Christian Becker mitkicken, was von vielen als weiterer Beweis für die ungerechte Behandlung von Türkiyemspor angesehen wurde.
Der im Oktober 87 von Hertha BSC zu Türkiyemspor wechselnde Torwart Norbert Henkel wurde vom Sportgericht des BFV für 12 (!) Monate gesperrt, weil Hertha BSC beim Verband falsche Angaben zu seinem letzten Spiel machte. Der Fehler lag also nicht bei Norbert Henkel sondern bei seinem vorherigen Verein Hertha BSC. Gegen die einjährige Sperre protestierten die Türkiyemfans beim Wiederholungsspiel gegen Hertha 03 mit Transparenten ("1 Jahr Sperre = Spielermord" und "BFV Laßt Henkel frei"). Viele Türkiyemspor-Fans kletterten übrigens bei diesem Wiederholungsspiel über den Zaun, weil Hertha 03 den Eintritt kurzfristig erhöhte. Das BFV-Verbandsgericht hob das Urteil gegen Norbert Henkel wg. eines Formfehlers wieder auf, so daß das Sportgericht erneut verhandeln mußte und zu dem Urteil kam: Norbert Henkel bleibt ein Jahr gesperrt. Die Berufung vor dem BFV-Verbandsgericht war erfolgreicher. Norbert Henkel konnte kein Eigenverschulden nachgewiesen werden. "Die Schuld trägt der Verein Hertha BSC ", so das Urteil. Leider war es schon April. Norbert Henkel konnte wegen dieser BFV-Wirren fünf Monate nicht spielen.
Proteste von Türkiyemspor 1987 bei Hertha 03 Zehlendorf
Das Rückspiel von Hertha BSC bei Türkiyemspor (27.3.88) war von rechtsradikalen Auswüchsen begleitet. Organisierte Neonazis waren ebenso im mit 3500 Zuschauern gefüllten Katzbachstadion vertreten wie Boneheads und "Hertha-Fösche", die allesamt nur durch ein größeres Polizeiaufgebot in Schach gehalten werden konnten. Türkiyemspor gewann das Spiel mit 1:0.
Oberliga-Saison 1989/90:
Der Torwart von Tasmania (von Beruf Polizeibeamter) provozierte beim Spiel bei Türkiyem (8.10.89) Zuschauer und Spieler.
Eine Woche später: Beim Spiel Rapide Wedding - Türkiyemspor kam es zu einer minutenlangen Unterbrechung, weil Zuschauer den Linienrichter attackierten, nachdem der Siegtreffer für Türkiyemspor abgepfiffen wurde. Der damalige Oberliga-Schiedsrichter Lutz Fröhlich (Weddinger FC) mußte dann eine Stunde in der von Türkiyemfans belagerten Kabine ausharren, denn der Weddinger Klub schoß seinerseits in der Nachspielzeit seinen Siegtreffer. Die "Bild" schrieb: "Türkenrandale am Wedding!" (16.10.89) und BFV-Schiedsrichter-Obmann Gabor drohte mit Boykott bei Türkiyemspor-Spielen (BZ 16.10.89). Der BFV entschied vorläufig: 75 Türkiyem-Ordner bei Heim- und 50 bei Auswärtsspielen, die Namen der Ordner sind vorher dem SR mitzuteilen. Bei Nichteinhaltung erfolgt die Suspendierung des Vereins. Das offizielle Urteil folgte später: Die Zahlen wurden gesenkt (30 auswärts, 50 heim). Türkiyem legte Berufung ein. Präsident Ceylan: "Es geht nicht, daß wir den anderen Vereinen bei unseren Auswärtsspielen viel Geld in die Kassen bringen, ohne daß sie sich selbst um einen Ordnungsdienst bemühen müssen." (TAZ 6.11.89) Die Türkiyemspor-Fans protestierten auf ihre Weise. Das folgende Spiel gegen die Reinickendorfer Füchse sahen sie sich von draußen an (siehe Foto unten). Die Füchse hatten 2000 Zuschauer erwartet, es zahlten aber nur 594 Eintritt (Die Wahrheit 6.11.89). Das Berufungsgericht sprach schließlich Türkiyemspor von allen Auflagen frei, da der Heimverein für die Sicherheit beim Spiel verantwortlich ist. Türkiyemspor erklärte sich nun bereit, bei jedem Auswärtsspiel auf Wunsch des Gegners 20 Ordner zu stellen.
Ein Bildbericht der Fussball-Woche zum Boykott der Türkiyemspor-Zuschauer bei den Reinickendorfer Füchsen 1989.
Oberliga-Saison 1990/91:
1990 wechselte Piotr Podkowik von Hertha 03 Zehlendorf zu Türkiyem. Der BFV erteilte die Freigabe und Spielberechtigung. Im Oktober, nach dem Spiel Türkiyemspor - Hertha 03 Zehlendorf (2:0), entschied auf Antrag von Hertha 03 das Verbandsgericht, daß die Freigabe zu Unrecht erteilt wurde und Podkowik bis zum 1. 11. gesperrt war. Da aber schon sieben Spiele mit Podkowik gespielt wurden, sollte Türkiyemspor, das zu diesem Zeitpunkt Tabellenführer der Oberliga Berlin war, diese sieben Spiele wiederholen. Ein von Türkiyemspor beantragtes Wiederaufnahmeverfahren lehnte der BFV ab. Obwohl nicht Türkiyem sondern wieder mal der BFV Fehler begangen hat, wurden zwei "Kompromisse" unter den Vereinen diskutiert:
a) vier Spiele werden wiederholt, darunter daß gegen den Kläger Hertha 03, drei Gegner werden unter den übrigen klagenden Vereinen ausgelost
b) Türkiyemspor soll Podkowik in der Rückrunde gegen die klagenden Vereine nicht einsetzen.
Beide Vorschläge wurden vom ebenfalls klagenden Rapide Wedding abgelehnt. So mußte das Verbandsgericht entscheiden: Türkiyemspor mußte drei Spiele wiederholen. Durch diese Entscheidung fiel Türkiyemspor auf Platz sechs zurück. Ende März war Türkiyemspor wieder Zweiter, Hertha 03 Erster. Dann begannen die Wiederholungsspiele: 29.3. gegen den Spandauer SV (4:0), drei Tage später gegen Hertha 03 (1:0) und erneute drei Tage später gegen den VfB Lichterfelde (2:0). Türkiyemspor war wieder Tabellenführer, aber die vielen Spielee in kürzester Zeit forderten ihren Tribut: Nur ein Punkt bei Blau-Weiß 90 am 7.4. und gegen den SC Charlottenburg am 21.4. Und am 1.5. stand das Spitzenspiel Erster (Türkiyemspor) gegen den Zweiten (Tennis Borussia) auf dem Programm. Türkiyemspor verlor fatal mit 0:5, somit war der Aufstieg in die 2. Liga passe´. Frust bei den 8000 Zuschauern, der in einigen Fällen aufgrund der offensichtlichen Benachteiligungen Türkiyemspor nicht nur in dieser Saison in Aggressionen umschlug. Die Spieler von TeBe, die angeblich von Türkiyemfans nach dem Spiel geschlagen wurden, erschienen nicht vor dem Sportgericht. SR-Obmann Gabor forderte trotzdem drakonische Strafen für Türkiyemspor, die vom Gericht auch verhängt wurden. Das BFV-Sportgericht sperrte das heimische Katzbachstadion für ein Jahr für Türkiyemspor-Spiele, womit vom BFV ein weiterer Grundstein für den Niedergang unseres Vereins gelegt wurde. Türkiyemspor mußte in der mit Ostmannschaften vereinigten Oberligasaison 1991/92 seine Heimspiele im Ostberliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark austragen, wo der Verein weder vom Stadionverwalter Lowak und seinen Mitarbeitern noch von den bis dahin dieses Stadion nutzenden BFC Dynamo-Fans gerne gesehen wurde.
NOFV Oberliga Mitte Saison 1991/92:
Die Mannschaft und die Fans wurden mehrfach durch ausländerfeindliche Attacken eingeschüchtert. Trauriger Höhepunkt in der Hinrunde war das 0:0-Heimspiel zwischen Türkiyemspor und dem 1. FC Union (29.9.), als die Türkiyemspor-Fans auf der Gegengerade von zwei Seiten beschimpft und mit Steinen beworfen wurden. In der einen Kurve agierten knapp tausend Union-Fans ("Hoyerswerda, Hoyerswerda"-Rufe waren deutlich zu vernehmen), in der anderen Kurve pirschten sich 200 BFC Dynamo-Hools an den Türkiyemspor-Block heran. Die Dynamos griffen auch nach dem Spiel weiter zu Steinen und Leuchtspurmunition und beschossen Fans und Spieler.
Nachdem am 10.11.1991 erneut ein Schiedsrichter im Spiel Türkiyemspor - Blau-Weiß 90 Am. ein Türkiyemspor-Spiel verpfiffen hatte, stürmten mehrere Türkiyemspor-Fans den Platz und schlugen die Unparteiischen und Blau-Weiß-Spieler. Das war der Tiefpunkt des Vereins. Türkiyemspor wurde u. a. zu einem "Geisterspiel" verurteilt.
Am 2.2.1992 erfuhr Türkiyemspor eine kleine Genugtuung, als unsere Mannschaft trotz massiver ausländerfeindlicher Beschimpfungen und Tätlichkeiten an der Alten Försterei den 1. FC Union mit 4:3 nach Elfmeterschießen aus dem Berliner Pokalwettbewerb schießen konnte.
Weitere ausländerfeindliche Angriffe mußten Mannschaft und Fans in Cottbus (8.3.92) und Thale (April 92) ertragen.
Türkiyemspor, Rassismus und der BFV Teil II
Saison 1992/93:
Katzbachstadion nach dem Anschlag in Mölln, bei dem drei türkischstämmige MigrantInnen zu Tode kamen.
Die Saison begann für Türkiyemspor relativ ruhig. Selbst am zweiten Spieltag beim 1. FC Union gab es keinerlei nennenswerte Vorfälle durch Union-Fans. Im Gegenteil: Von den zahlreichen Türkiyemspor-Anhängern fielen einige aus der Rolle, als sie den Schwarafrikaner auf Unioner Seite Gibby Mbasela mit Affengeräuschen meinten begleiten zu müssen. Das wurde in der nächsten Ausgabe der Türkiyemspor-Stadionzeitung sofort kritisch angemerkt, so dass derartiges Verhalten im Laufe der weiteren Saison nicht mehr vorkam. Im sechsten Punktspiel bei der SpVgg. Thale 04 trafen die Türkiyemspor-Fans allerdings wieder auf versammelte Rechtsradikale, die schon in der letzten Saison für mächtig Zoff gesorgt hatten. Damals liefen sie mit Baseball-Schläger durch das Stadion, stürmten den Türkiyemspor-Block, so dass sich die Fans unserer Mannschaft aus Sicherheitsgründen in den Kabinenbereich zurück ziehen mußte. Weder Ordner noch anwesende Polizisten waren in der Lage (oder willens?), die germanischen Horden zu stoppen. Aus diesen Erfahrungen wurde zum Spiel in Thale eigens mobilisiert. Zu Recht, denn die Türkiyemspor-Fans und die Mannschaft wurden während der gesamten Spielzeit wieder faschistisch beschimpften, die Reichskriegsflagge am Stadionmast hochzogen und nach dem Spiel Busse und Fans mit Leuchtspurmunition beschossen. Türkiyemspor revanchierte sich sportlich und fuhr mit einem 6:0-Sieg und der Erkenntnis, Spitzenreiter der Oberliga Mitte zu sein, nach Hause.
Türkiyemspor plante in dieser Saison, am Katzbachstadion ein Vereinsheim zu bauen. Unterstützung kam vom SPD-Sportstadtradt und der Alternativen Liste (AL, jetzt B90/Grüne). Abgelehnt wurde dieser Plan von der CDU. "Die Anwohner haben schon jetzt Angst vor der Randale bei Türkiyems Heimspielen. Wenn da jetzt noch ein Haus hin kommt, hört das nie mehr auf ", so die sportpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion Margot Schwander (Berliner Morgenpost 3.11.92).
Wie schon in der Saison 91/92 kam es auch in diesem Jahr zu rassistischen Zwischenfällen beim Spiel Energie Cottbus gegen Türkiyemspor. Reichskriegsflaggen, Hitlergrüße, ausländerfeindliche Beschimpfungen von Fans und Spieler sowie massive Steinwürfe und mehrfacher Leuchtspurmunition-Beschuss bei der Abfahrt der Busse, wobei auch Busscheiben zu Bruch gingen, begleiteten uns, während am gleichen Tag in Berlin der damalige Bundespräsident Weizäcker und die politische Prominenz auf einer Großkundgebung vor Hunderttausenden das vereinigte Deutschland nach den pogromartigen Zwischenfällen in Rostock, Hoyerswerda und auch Cottbus vom Ruf der Ausländerfeindlichkeit und dem Rassismus reinwaschen wollte. Während wir an einer Landstraße mit unserem Bus halten mußten, um die zerstörten Scheiben zu sichern und einen verletzten Türkiyemfan versorgten, kam über Radio die Meldung, dass der Bundespräsident in Berlin von aufgebrachten Demonstranten beworfen wurde, so dass er seine heuchlerische Rede unterbrechen mußte. Als wir wieder in aufgrund der Ereignisse um die Großdemo tumultartigen Berlin ankamen und laut feiernd an der Kottbusser Strasse aus dem Bus stiegen, rauschten sofort Bullenwannen heran, aus dem sich in Kampfeslaune befindende Polizisten stürmten, die in uns wohl eine gefährliche Zusammenrottung sahen. Die Presse reagierte auf das Spiel in Cottbus mit Berichten über "Türkiyemspor-Fans, die Sitzschalen und Zäune in Cottbus demolierten" und über "autonome Trittbrettfahrer", die für Krawalle beim Spiel gesorgt hätten. Dass die Gewalt einzig und allein von Seiten der Cottbusser ausgeübt wurde, ging völlig unter. Aber diese Art des Umgangs mit rassistischen Vorfällen wird uns im weiteren Verlauf noch öfters begegnen und kann schon Systematik genannt werden.
Nach dem Türkiyemspor-Spiel in Halle am 31.3.93, während dem Fans des Halleschen FC mit rassistischen Parolen auf sich aufmerksam machten, wurden türkische und deutsche Türkiyemspor-Fans in einer Straßenbahn mit Steinen und Leuchtspurmunition angegriffen.
Nach dem Anschlag von Solingen
Saison 1993/94
Die Saison begann wieder recht friedlich. Trotz der riskanten Spiele in Cottbus, bei dem uns dankenswerterweise rd. 150 Menschen aus Cottbus und Umgebung unterstützen, wie auch beim Halleschen FC (ebenfalls mit 70köpfiger Unterstützung aus Halle), konnten keine nennenswerte Zwischenfälle verzeichnet werden. Erst kurz vor Weihnachten brach über uns erneut der deutschtümelnde Hass herein, diesmal beim Pokalspiel beim BFC Dynamo, der zu diesem Zeitpunkt FC Berlin - so nannte er sich zwischenzeitlich - hieß. Organisierte Nazis bedrohten Fans und die Ersatzbank von Türkiyemspor, so dass die Polizei die Haupttribüne räumen mußte. Beschimpfungen und Bedrohungen über die Zäune hinweg blieben trotz Polizeipräsenz bis zum Ende des Spiels, das in die Verlängerung gehen mußte, weiter bestehen. Als die ersten beiden Tore für den FC Berlin der "Türke" Marwan Abdelhamid geschossen hatte, blieb den Hools und Faschos für kurze Zeit die Spucke weg. Die beiden Türkiyemspor-Treffer wurden dagegen von Deutschen (Dirk Kunert und Jörg Blüthmann) erzielt, was die Nazis wiederum toben ließ ("Deutsche schießen für Türkiyemspor Tore! Unverschämtheit").
Das alljährliche Oberliga-Turnier in der Berliner Sömmeringhalle im Januar 1994 wurde eine traurige Veranstaltung. Neben Türkiyemspor nahmen auch der 1. FC Union und der FC Berlin daran teil. Türkiyemspor wurde während des gesamten Turniers von den Fangruppen dieser beiden Mannschaften in trauter Eintracht beschimpft. Zudem war die Turnierleitung mit der Hallenuhr überfordert. Im für das Finale entscheidenden Spiel trafen der FC Berlin und Union aufeinander. Kurz vor Schluß stand es 2:2, was bedeutet hätte, dass Türkiyemspor statt dem punktgleichen 1. FC Union in das Finale eingezogen wäre. Völlig unüblich für Hallenfussball gibt die Turnierleitung eine 5sekündige Verlängerung der Spielzeit bekannt. Diese Durchsage kam auch nur über den Hallenlautsprecher, was allerdings aufgrund der Hektik kaum einer mit bekommen hatte. Die Türkiyemspor-Fans sahen nur noch, dass die reguläre Zeit abgelaufen war, ohne dass die Sirene ertönte. In dem Moment schoss Union das Tor, was Türkiyemspor die Finalteilnahme verbaute. Erneut Betrug witternd und sauer über die andauernden rassistischen Beschimpfungen ("Wir wollen keine Türkenschweine", "Deutschland den Deutschen", "Türken raus!") rasteten einige Türkiyemspor-Fans aus. Es folgten Tumulte, eine längere Turnierunterbrechung und Vorwürfe an die Seite von Türkiyemspor. In der Tat sorgten die Fans von Türkiyemspor für die schwerwiegendsten Probleme. Allerdings mußten sich die Organisatoren des Turniers kritische Fragen gefallen lassen. Bemerkenswert die Aussage des FC Berlin-Managers Dr. Dieter Fuchs: "Unsere Anhänger, ohnehin nicht so groß an der Zahl, beschäftigen keine Polizisten." Gerade mal vor zwei Wochen hatten wir das Gegenteil erlebt.
Tumulte beim Berliner Oberliga-Hallenturnier 1994
Am 20.3.94 fuhr Türkiyemspor zum Punktspiel nach Stendal. Nur wenige Türkiyemspor-Fans begleiteten unsere Mannschaft, dafür aber ein Transparent, das von der Kampagne "kein Länderspiel am 20. April" stammt. Diese Kampagne richtete sich gegen das geplante Länderspiel zwischen Deutschland und England am 20 April 94. Der 20. April wurde von Nazis seit Jahren als Feiertag mit entsprechenden faschistischen Aktionen genutzt, weil Adolf Hitler am 20. April geboren war. Für ein derartiges Länderspiel befürchtete die Kampagne nicht zu Unrecht große Hool- und Fascho-Aufmärsche. Einige Türkiyemspor-Fans arbeiteten mit an dieser Kampagne, so dass dieses Transpi in Stendal neben dem Türkiyemspor-Transparent aufgehangen wurde. Nach dem Schlußpfiff kamen unerwartet zwei Stendaler über den Platz gelaufen und wollten das Transparent vom Zaun reissen. Dieses wurde durch den energischen Einsatz zweier Türkiyemspor-Fans verhindert, woraufhin weitere Stendaler auf den Platz stürmten. Polizisten konnten diese aber stoppen.
Türkiyemsporfans 1994 mit einem Transparent gegen das Länderspiel Deutschland - England am 20. April, einen Tag, den Nazis seit dem Ende der 80er Jahre als "Feiertag" ansehen und an dem es immer wieder zu faschistischen Aktionen kommt.
Saison 1994/95
Türkiyemspor hatte den Aufstieg in die neugeschaffene NOFV-Regionalliga geschafft und durfte/mußte nun gegen DDR-Größen wie Carl Zeiss Jena, RW Erfurt oder FC Erzgebirge Aue antreten. Unter die Freude mischte sich auch die Befürchtung, dass sich die Anhänger der neuen gegnerischen Klubs ebenso ausländerfeindlich geben könnten wie die von z. B. Energie Cottbus. Der erste Vorfall machte aber deutlich, dass nicht nur Fans sondern auch gegnerische Mannschaften und Funktionäre ganz schön hohl sein können. Im zweiten Punktspiel beim Eisenhüttenstädter FC Stahl kam es zu massiven Beschimpfungen der Spieler durch die gegnerische Ersatzbank. Besonders der Mannschaftsarzt der Gastgeber fiel unangenehm auf. Als unser Spieler Levent Kahraman verletzt am Boden lag, versperrte er unserem Mannschaftsarzt den Weg mit den Worten: "Lass ihn verrecken, die Kanakensau!" Die Türkiyem-Spieler wurden von den Zuschauern aus Eisenhüttenstadt aufgefordert, "ins deutsche Gas zu gehen." Da ein SFB-Fernsehteam, das Türkiyemspor bei dieser Auswärtsfahrt begleitete, alles aufzeichnete und Abends in den Tagesthemen sendete, fühlte sich Hütte ertappt und drehte kurzerhand den Spieß um. Der Vorwurf: Türkiyemspor hätte die Vorfälle provoziert, damit der Kameramann was zu filmen hatte. Eisenhüttenstadt wolle daher nicht zum Rückspiel im Februar 1995 anreisen.
Zuschauer in Eisenhüttenstadt 1994 nach rassistischen Pöbeleien
Auch wenn alle Berichte der Medien und auch des SFB-Redakteurs gegen diese Version sprachen, gingen der NOFV in Gestalt von Dr. Moldenhauer und der BFV in Gestalt von Otto Höhne auf diese Schutzbehauptungen der Eisenhüttenstädter ein und nötigten Türkiyemspor, bei einem Krisentreffen Ende August auf die Vorwürfe gegen Hütte zu verzichten. Im Gegenzug nahm auch Hütte seine Behauptungen, die eh nur eine Farce waren, zurück. Wieder stand Türkiyemspor als Verlierer da. Erst wüst beschimpft, dann auch noch als Lügner hingestellt und am Ende auch wieder der Dumme. Das war das Gefühl, mit dem die Türkiyemspor-Vertreter nach der Krisensitzung nach Hause fuhren.
Nur wenige Tage später kam es zum Heimspiel gegen den FC Berlin, das von den üblichen rassistischen Beschimpfungen begleitet war. Aber der Block, in dem sich die FC Berlin-Anhänger aufhielten, wurde zudem so demoliert, dass er seitdem bis zur Sanierung des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks (in dem Türkiyemspor aus Sicherheitsgründen in der Regionalliga seine Heimspiele austragen mußte) gesperrt blieb. Einen Monat später - beim FC Sachsen Leipzig - wurde bei der Abfahrt der Fanbus von Sachsen-Fans attackiert und leicht beschädigt. Aber alles in allem blieben die Gastspiele unserer Mannschaft bei den großen "DDR"-Klubs ohne größere Zwischenfälle. Zum einen lag es an der zunehmenden Akzeptanz der "türkischen" Mannschaft bei den Gastgebern und deren Fans - einige Unbelehrbare einfach mal ausgenommen - zum anderen erwies sich Türkiyemspor mit zunehmender Dauer in der Regionalliga auch immer mehr als freundlicher Gast, der gerne Punkte und Gegentore abgab. 0:7 in Jena, 0:5 gegen Erfurt, gar 0:10 in Aue. Das besänftigte den drohenden Ärger schon im Ansatz. Beschimpfungen wie beim Spiel bei Stahl Brandenburg (4.2.95) blieben die Ausnahme, taten aber weiterhin weh.
Symptomatisch, wie der Fussballverband mit Türkiyemspor umsprang, ist noch folgende Geschichte: Türkiyemspor hatte für die Rückrunde die Genehmigung bekommen, seine Heimspiele bis auf ausgewählte Ausnahmen wieder im Katzbachstadion austragen zu dürfen. Die Reinickendorfer Füchse, die vor kurzem erst für 150.000 DM einen Sicherheitszaun in ihrem Stadion am Freiheitsweg errichten mußten, protestierten dagegen. So weit so gut, schließlich ist es nachvollziehbar, wenn sich ein Verein darüber aufregt, dass bei ihm als Auflage für die Regionalliga ein teurer Zaun errichten werden muss, dagegen der andere Verein den ebenfalls zur Auflage gemachten Umzug vom nicht umzäunten Katzbachstadion in den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in der Rückrunde rückgängig machen durfte. Aber dass die Füchse sich hinstellten und behaupteten, sie würden nicht im Katzbachstadion spielen wollen, weil dort die Sicherheit für ihre Spieler und Anhänger nicht gegeben sei, ist nach vielen Jahren Erfahrung mit Derbys zwischen diesen beiden Klubs nun wirklich absoluter Humbug gewesen. Der Verband dachte aber anders und gab dem Druck der Füchse nach. Es wurde also am 18.3.95 im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sport-Park gespielt, und Türkiyemspor antwortete sportlich und gewann zum ersten Mal in der Rückrunde ein Punktspiel, und zum letzten Mal in dieser por als Verlierer da. Erst wüst beschimpft, dann auch noch als Lügner hingestellt und am Ende auch wieder der Dumme. Das war das Gefühl, mit dem die Türkiyemspor-Vertreter nach der Krisensitzung nach Hause fuhren.
Saison 95/96:
Zurück in der Oberliga lernten wir neue Städte wie Neustadt/Dosse, Parchim, Dessau, Rostock und Prenzlau kennen und stellten fest, dass überall so gut wie keine Ressentiments gegen Türkiyemspor oder Ausländer/Türken geäußert wurden. Bis wir nach Schwerin kamen. Dort versammelte sich hinter dem Tor unseres Keepers Fuat Akova ein rassistischer Mob, der während der gesamten Spielzeit (in der Halbzeit wechselten sie die Seite und liefen dabei provokant durch den Block mit den wenigen Türkiyemspor-Fans) ausländerfeindlich vor sich hin sang. Nach dem Schlußpfiff mußten die Spieler Spalier laufen und sich dabei noch einiges an deutschen Vorurteilen anhören.
Und da war noch das Türkiyemspor-Spiel in Magdeburg im März 1996. Die hauptsächlich auf der Haupttribüne versammelten Zuschauer gefielen sich in ihren permanenten "Türken raus!" -Rufen, besonders als das Spiel für die Gastgeber drohte, verloren zu gehen. . Irgendwann riß einem Fan von uns der Geduldsfaden und er baute sich zwischen der Werbebande und der Haupttribüne auf und rief in Richtung voll besetzter Tribüne: "Nazis raus! Nazis raus!" Keine gute Idee, aber ich hatte für seine Reaktion Verständnis. Die Haupttribüne jedenfalls bebte so, dass ich befürchtete, dass dieser marode Bau zusammenbricht. Polizei war schnell zur Stelle und brachte den Türkiyemspor-Fan zurück zu seinem Platz. Nach dem Spiel versuchte noch ein Magdeburger, Streit anzufangen, doch die Polizei war schneller.
Und Anfang April beim 1. FC Schwedt war die Bedrohung durch Fussballfans zum Greifen nahe. Direkt neben unserem gut gefüllten Türkiyemspor-Block bauten sich die Faschos auf, Beschimpfungen und Gegenstände wurden in unserem Block geworfen. Da die Polizei aber konsequent durchgriff, kam es zu keine größeren Zusammenstöße.
Schwedter Nazis 1996 direkt neben dem Türkiyemsporblock
Saison 1996/97:
Nur aufgrund eines schlechteren Torverhältnisses scheiterte Türkiyemspor am Wiederaufstieg in die Regionalliga. So blieben wir weiter in der Oberliga Nord und kämpften uns durch den Norden der ehem. DDR. Vor dem Spiel beim Greifswalder SC z. B. bekam Türkiyemspor Post. Der GSC behauptete in dem Brief, dass Spieler von Türkiyemspor nach dem letzten Spiel im Mai die von ihnen benutzte Kabine beschädigt hätten. Nun sollte Türkiyemspor die Rechnung über 1000 DM bezahlen oder sie dürften die Kabinen zum nächsten Spiel nicht nutzen, hätten sich also im Reisebus umziehen müssen. Viel Wirbel in der Presse, am Ende verlief alles wie immer im Sande. Türkiyemspor benutzte ordentlich die Kabine in Greifswald, und von einer Geldforderung war nichts mehr zu hören.
Türkiyemspor nahm in dieser Saison nicht am Oberliga-Hallenturnier teil. Nur böse Stimmen behaupteten, weil sie sich den jährlich wiederkehrenden Beschimpfungen entziehen wollten. In den letzten beiden Jahren jedenfalls ging Türkiyemspor mit der Hallenstimmung konsequent um . Unsere Mannschaften schieden einfach jedes Mal nach der Vorrunde aus und fuhren nach Hause.
Somit verlief diese Saison als die erste seit vielen Jahren ziemlich stressfrei. Spannend war sie trotzdem, denn Türkiyemspor spielte lange im oberen Tabellendrittel erfolgversprechend mit.
Saison 1997/98:
Am 8.2.98 entdeckte der Schiedsrichter vor dem Punktspiel Türkiyemspor gegen SC Charlottenburg eine 1-2 qm große Eisfläche vor einem Tor. Der Schiedsrichter verlangte die Beseitigung des Eisflecks, was die Vertreter des Sportamtes ablehnten, da sonst der Rasen und die Drainage Schaden erlitten hätten. Somit wurde das Spiel abgesagt. Das Sportgericht des Nordostdeutschen Fussballverbandes verurteilte daraufhin Türkiyemspor, weil unser Verein nicht alles für eine ordnungsgemäße Durchführung des Spiels getan hätte, zu 1000 DM Geldstrafe und einem drei Punkte Abzug. Zudem sollte das Spiel gegen den SCC nachgeholt werden. Völlig außer Acht ließ dabei das NOFV-Sportgericht, dass Türkiyemspor gar kein Hausrecht hat und von daher gar nicht befugt ist, im Katzbachstadion Hand an die Rasenpflege zu legen. Der Platz gehört dem Bezirk bzw. dem Senat, und nicht Türkiyemspor. Selbst die Fussball-Woche v. 25.2.98 schrieb: "Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der umstrittene Ausfall gerade recht kam, um den Berlinern und speziell Türkiyem mal eins auszuwischen. In der quälend langen Urteilsbegründung werden den Kreuzbergern wiederholte Verstöße gegen die Spielordnung vorgeworfen. Das mag begründet sein oder nicht - in jedem Fall ist es ein Unding, Verfehlungen zu sammeln wie Altpapier und zu einem arg konstruierten Schuldspruch, sprich Punktabzug, zu addieren. Wenn dieses Beispiel Schule macht.....Was aber auch Türkiyem in der Urteilsbegründung alles vorgeworfen wurde: angefangen vom fehlenden Tisch in der Schiedsrichterkabine bis hin zum fehlenden Parkplatz für die Unparteiischen, die zehn Minuten zu suchen und anschließend zehn Minuten zu laufen hatten - geschlagene zehn Minuten, man denke nur! Wie leicht hätte da einer müde werden oder stolpern oder gar überfallen werden können! Wir sehen schon zwei, drei Türkiyem-Ordner mit Polizeimütze, wie sie auf der Dudenstraße mit der Kelle fuchteln, Parkplätze freihalten! Lachhaft - wenn es nicht so traurig wäre......" Türkiyemspor geriet nun vollends in den Abstiegsstrudel. Erst Ende April entschied der NOFV-Vorstand per Gnadengesuch, dass die Strafe zurück genommen wird. Der FSV Optik Rathenow protestierte daraufhin, weil er sich im Abstiegsduell mit Türkiyemspor plötzlich im Nachteil sah. Am Ende aber lag der FSV doch vor Türkiyemspor. Und Türkiyemspor mußte in die Relegation gegen den Abstieg gegen den Halleschen FC antreten. Das Hinspiel im Katzbachstadion war von einigen unschönen Begleiterscheinungen der Hallenser Fans gekennzeichnet, die mit Sprüchen und Gesten den Türkiyemspor-Anhang provozieren wollten, was ihnen aber nicht gelang. Nach dem Spiel wurden sie von unseren Ordnern aus dem Stadion geleitet, wo die Polizei sie in Empfang nahm. Das 1:1 reichte aber nicht für das Rückspiel in Halle, wo sich beide Vereine in trauter Einigkeit 0.0 trennten und - jeder für sich - in die entsprechende Liga absteigen mußte, weil auch der VfB Leipzig absteigen mußte - aus der 2. Liga.
Für Türkiyemspor war die Teilnahme am überregionalen Fussball mit dem Abstieg in die Berliner Verbandsliga erst einmal beendet. Erst im Jahr 2000 sollte der Wiederaufstieg in die NOFV Oberliga
Nord gelingen.
Zu guter Letzt:
Am 31.08.2008 verlor der Chemnitzer FC sein Regionalliga-Spiel zu Hause gegen Türkiyemspor mit 1:2.
Ein großer Trupp Nazis sammelte sich während des Spiel in roten Shirts auf der Gegengerade. Auf dem Rücken der roten T-Shirts ist der rassistische Text eines Liedes der mittlerweile verbotenen Naziband Landser abgedruckt.
Immerhin machte der Song "Wieder mal kein Tor für Türkiyemspor" unseren Verein noch bekannter.
Und wir sangen bei einem 4:1-Sieg unserer Elf in Frankfurt/Oder nach jedem Treffer "Wieder mal ein Tor für Türkiyemspor", sehr zum Ärger der versammelten Nazis.